Im Jahr 2022 konnten – nach der Lockerung der pandemiebedingten Einschränkungen – wieder vermehrt Forschungs- und Disseminationsaktivitäten stattfinden. An verschiedenen Tagungen kamen Forschende und Personen aus der Schulpraxis zusammen und blickten auf aktuelle pädagogische Entwicklungen, wie etwa die zunehmenden pädagogischen Angebote an Tagesschulen. Die Forschungsprojekte fokussierten auf Herausforderungen am Puls der Zeit. So untersuchten sie Fragen zum Lehrpersonenmangel, zum Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) oder zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bildung.
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Dieses Forschungsprojekt, das vom Schweizerischen Nationalfond (SNF) finanziert wurde und im Sommer 2022 nach mehrjähriger Forschungstätigkeit zum Abschluss kam, fragte danach, wie die «Selbstregulationsfähigkeit» von Lehrkräften gestärkt werden kann. Die Fähigkeit, eigene Ziele zu planen, schrittweise umzusetzen und zu erreichen, gilt als eine der zentralen professionellen Kompetenzen, die sich positiv auf den Verbleib im Beruf, das Wohlbefinden und die Unterrichtsqualität auswirkt.
Die Interventionsstudie untersuchte, wie Weiterbildungsprogramme Selbstregulationsstrategien von Lehrkräften stärken und damit den Verbleib im Lehrberuf unterstützen können. Dazu wurde ein Selbstmanagementtraining entwickelt. Ein zusätzliches Face-to-Face-Coaching diente der individuellen Vertiefung. Ein Online-Coaching durch professionelle Beraterinnen und Berater unterstützte den Transfer des neu erworbenen Wissens und Könnens sowie die Umsetzung von selbst gesetzten Zielen in die Praxis.
Die Ergebnisse zeigten: Indem die Lehrpersonen die erworbenen Selbstregulationsstrategien im Berufsalltag umsetzten, konnten sie ihr Wohlbefinden deutlich verbessern. Eine höhere Selbstregulation führte zu einer geringeren Belastungswahrnehmung und einer niedrigeren Arbeitsüberforderung, die Selbstwirksamkeit wirkte sich positiv auf ihr berufliches Engagement aus. Hierbei wurde deutlich, dass Coaching-Angebote die professionelle Entwicklung von Lehrpersonen und somit ihre Resilienz wesentlich fördern können.
Projektleitung: Simone Berweger und Christine Bieri Buschor
Im Frühjahr 2022 startete das europäische Forschungsprojekt «LETHE», an dem die PH Zürich gemeinsam mit Partnern aus verschiedenen europäischen Ländern beteiligt ist, darunter Spanien, Italien, Deutschland und Irland. Die Partnerinstitutionen entwickeln Materialien und Strategien, um «versteckte» und «vergessene» Geschichten für den Geschichtsunterricht zugänglich zu machen. Das Projekt ist nach Lethe, dem Fluss des Vergessens, benannt, der gemäss der griechischen Mythologie sämtliche Erinnerungen derjenigen auslöschte, die aus ihm tranken. In diesem Geiste blickt das Projekt auf die blinden Flecken der jüngeren europäischen Geschichte. Die Geschichte von kulturellen und sozialen Minoritäten, von Migrierten und Ausgegrenzten findet häufig keinen Eingang in die Erinnerungskultur. Was kann getan werden, um ihre Geschichte in den europäischen Klassenzimmern zu thematisieren? Die Beschäftigung mit «versteckten» Aspekten der europäischen Geschichte ist für den sozialen Zusammenhalt sowie für die Teilhabe an der Gesellschaft bedeutsam. Nur wer historisch gewachsene Machtstrukturen, Ausgrenzungsmechanismen und -dynamiken zu erkennen lernt und diese versteht, kann in Gegenwart und Zukunft verantwortungs- und geschichtsbewusst handeln. Das Endprodukt des Projekts richtet sich an Geschichtslehrpersonen. Es umfasst eine Website mit virtueller Lernumgebung für Schülerinnen und Schüler sowie ein Handbuch mit Unterrichtsvorschlägen zum Geschichtslernen anhand von Objektquellen in nationalen, internationalen und transnationalen Lerngruppen.
Projektleitung: Christian Mathis
Künstliche Intelligenz wird im Bildungsbereich immer häufiger eingesetzt. Lehrpersonen treffen pädagogische Entscheidungen zunehmend auf der Grundlage von Algorithmen. Adaptive Lernsysteme wählen Aufgaben aus und geben den Lernenden Feedback, Systeme zur automatisierten Bewertung können mittlerweile sogar Freitextaufgaben oder Aufsätze beurteilen. Lehrpersonen arbeiten folglich mit Maschinen zusammen und treffen pädagogische Entscheidungen im Zusammenspiel mit algorithmischen Analysen.
Das Projekt fragte danach, wer (oder was) zur Rechenschaft gezogen wird, wenn Lehrpersonen derartige IT-Anwendungen einsetzen. Es zeigte sich, dass die Verantwortlichkeiten nicht eindeutig geklärt sind. Lehrpersonen sahen die Entwicklerinnen und Entwickler in der Pflicht, stabile und möglichst objektive Tools bereitzustellen. Aus Sicht der entwickelnden Unternehmen sind aber auch die Lehrpersonen verantwortlich dafür, KI-Anwendungen so einzusetzen, dass pädagogische wie soziale Risiken minimiert werden. Bildungspolitisch stellen sich Fragen nach neuen Aufgaben, die Lehrerinnen und Lehrer übernehmen müssen, wenn sie es zunehmend mit digitalen Daten zu tun haben. Eltern und Schulkinder sehen weiterhin die Lehrperson in der Pflicht, Verantwortung für Aufgabenauswahl und Beurteilung zu übernehmen. Die Erkenntnisse des Projekts haben in einen Leitfaden Eingang gefunden, den Professor Tobias Röhl gemeinsam mit weiteren Fachleuten im Auftrag der Europäischen Kommission entwickelt hat. Der Leitfaden sensibilisiert Lehrpersonen und andere schulische Akteure für Chancen und Risiken von KI-Anwendungen.
Projektleitung: Tobias Röhl
Aufgrund des Lehrpersonenmangels gab es im Sommer 2022 die Möglichkeit, sich ohne Lehrdiplom für eine Anstellung an den Volksschulen im Kanton Zürich zu bewerben. Doch was bedeutet es für die Personen, auf aussergewöhnlichem Weg in den Lehrberuf einzusteigen und zu unterrichten? Was benötigen sie und was hilft ihnen im Verlauf des Schuljahres – und wie geht es danach weiter? Diese Fragen untersucht ein neues Forschungsprojekt der PH Zürich.
Projektleitung: Tobias Leonhard
Im Frühjahr konnten die Ergebnisse eines Forschungsprojekts vorgelegt werden, das die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die soziale Integration von Erstsemesterstudierenden untersuchte. Während die Interaktion mit den Dozierenden auch in Online-Settings häufig gut klappte, wurde der fehlende Kontakt zu Mitstudierenden als besonders belastend empfunden.
Projektleitung: Franziska Zellweger Moser
Auswahl
Lese- und Schreibprozesse
Das Forschungsprojekt «WRITE» blickt auf das Zusammenspiel von Lese- und Schreibprozessen. Diese werden im Rahmen von Experimenten mit Studierenden untersucht. Die Testpersonen erhalten schriftliche Aufträge und sollen ausgehend von Lesematerialien Texte zu kontroversen Themen verfassen. Dabei wird erforscht, welche «Integrationsprozesse» beim Lesen und Schreiben zustande kommen.
Kindergarten
Das Projekt «NaturenKindheiten» in Verhandlung untersucht Umwelt- und Naturbeziehungen im Kindergarten. Aus einer kindheitstheoretischen und kulturanalytischen Perspektive wird gefragt, wie Kinder ihre Beziehungen zur belebten und unbelebten Umwelt gestalten und selbst verstehen.
Berufsbiografien
Das Projekt «PraLeB» beforscht die Berufsbiografien von Praxislehrpersonen, also erfahrenen Lehrer:innen, die Studierende auf dem Weg in den Lehrberuf unterstützen. Die Praxislehrpersonen werden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit wissenschaftlich begleitet. Ausserdem finden Interviews mit Schulleitungen statt, die nach Auswahlkriterien für Praxislehrpersonen befragt werden.
Künstliche Intelligenz
Das Projekt untersucht das Wechselspiel pädagogischer Vorstellungen und technologischer Visionen in der Ausgestaltung KI-gestützter Bildungstechnologien. Es wirft die Frage auf, wie algorithmische Diskriminierungen verhindert und Künstliche Intelligenz sozial verantwortlich und pädagogisch anschlussfähig für die schulische Bildung genutzt werden können.
«Durch das Forschungsprojekt der PH Zürich hat sich an unserer Schule die Mitsprachekultur geändert. Wir Lehrpersonen haben entdeckt, wie bereichernd Schüler:innenstimmen auch beim Thema Unterricht sind und die Jugendlichen fühlen sich ernster genommen.»
Auswahl
Tagung
Die Tagung befasste sich mit sport- und bewegungsorientierten Angeboten in den Strukturen der Tagesschulen, die Kindern und Jugendlichen zusätzliche Lernmöglichkeiten offerieren.
Tagung
Renommierte Referierende blickten auf die Räume, die das Spielen und Lernen der Kinder im Elementarbereich massgeblich unterstützen und fördern: Spielräume, Begegnungsräume, Erlebnisräume, Fantasieräume, virtuelle Räume und vieles mehr.
Herbst 2022
Die Vorträge thematisierten Veränderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen. Sie fragten danach, auf welche Weise die Potenziale neuer Technologien erschlossen und genutzt werden, aber auch welche Herausforderungen sich ergeben.
Referate
An den öffentlichen Antrittsvorlesungen stellen sich neue Professorinnen und Professoren einem breiten Publikum vor. Den Anfang machten im Berichtsjahr die beiden neuen Abteilungsleiter im Prorektorat Forschung und Entwicklung, Kenneth Horvath und Tobias Leonhard.
Innosuisse-Projekt
SNF-Projekt
Jahreskongress